Don't do that at home

Was passiert, wenn «English gardens» auf den Kontinent geholt werden

Um es vorweg zu nehmen, die Engländer haben der Welt zahlreiche Segnungen beschert: die Zeitzonen, Chutney, Schwarztee (tea) – und nicht zuletzt die Briefmarken, für die wir sicherlich alle dankbar sind.

Nun ja, aber das mit der Gartenkultur hat sich inzwischen als recht belastendes Erbe erwiesen. Kommt zwischen Garteninteressierten ein Gespräch auf und das Thema steuert in Richtung englische Gärten, kriegen die meisten einen eigenartigen Glanz in den Augen und seufzen sehnsüchtig. Entweder in glorioser Erinnerung schwelgend oder vor ungestillter Sehnsucht, da das eigene Reisebudget noch nicht für drei Wochen auf der grünen Insel gereicht hat. Hier soll auch in keiner Weise impliziert werden, dass die dortigen gardeners nicht wüssten, was sie tun. Im Gegenteil, das Fachwissen und das daraus entspringende Unterhalts-Niveau der National Trust-Gärten suchen ihresgleichen.
Kompliziert wird es nur, wenn anglophile Hausbesitzerinnen oder Gärtner das Objekt ihrer Begierde direkt zu Hause etablieren wollen. Dem Ideal des englischen Gartens im lauschigen Weinbauklima des oberen Rheingrabens nachzustreben, ist der sichere Weg zu unendlich viel Frust und Fehlschlägen. Das dort vorgeführte Ideal hat ungefähr so viel mit dem echten Leben zu tun, wie Mode von den Catwalks von Paris oder Mailand geeignet für einen umtriebigen Alltag ist. Dafür sind mehrere Hauptfaktoren verantwortlich.

Das Klima
Die Insel ist privilegiert durch besonders mild-ausgeglichenes maritimes Klima mit häufigem Niesel oder Regenschauern. Zumindest bisher stiegen die Sommertemperaturen selten über 25°C, Trockenheit tritt fast nie auf. Und die Winter sind so mild, dass tender plants wie Pelargonien bzw. Geranien im Freiland überleben. Unter solchen Bedingungen kann ich natürlich relativ einfach den perfekten englischen Rasen erzielen, durch ein bis zwei Spindelmäherschnitte in der Woche auf ca. 3 cm. Damit das satte Grün dann makellos bleibt, müssen selbst Engländer tief in die Chemikalienkiste greifen, denn fröhliche Blümchen und Wildkräuter lassen sich sonst nicht dauerhaft aus dem heiligen Grün fernhalten. Die Statistiken zum Jahresverbrauch von synthetischen Düngern und Herbiziden für die Rasenpflege sind furchterregend, und inzwischen findet erfreulicherweise selbst in England ein Umdenken statt.

Das Personal
Nur wenige Normalsterbliche können sich die gefühlt 2,7 Gärtner pro Quadratmeter leisten, die in den Museums-Gärten auf geradezu olympischem Niveau das Grün hegen. Dies ist die wichtigste Voraussetzung für die allzeit perfekten Rabatten und mixed borders. Das dahinter liegende Schönheitsideal ist völlig statisch, die Pflanzungen sind – einschliesslich Jahreszeiten – vierdimensionale Gemälde mit ausgeklügelter Komposition. Die Farben und Strukturen sind zugewiesen, was davon abweicht, z. B. durch vorzeitiges Vergilben oder eigenmächtige Ausbreitung, wird umgehend entfernt beziehungsweise ersetzt.

Der Platz
Damit einher geht das nächste Problem: In Gärten wie Great Dixter wird von den meisten Pflanzen hinter den Kulissen eine Reserve in Töpfen kultiviert. Oder eben der nächste Satz Pflanzen, Sie wissen schon, für die schwierige Phase, wenn die abgeblühten Lupinen anfangen, müde auszusehen. Diese werden dann einfach ausgerissen und durch Sommerblüher ersetzt, und nicht gepäppelt, gedüngt oder besungen. Damit sind wir wieder beim Schönheitsideal. Trockene Stengel, gelbes Laub oder offensichtlich abgestorbene Pflanzen passen nicht in das Konzept der National Trust-Gärten, also ab damit. Und die Winteraspekte sind dank grosszügiger Immergrünen-Anteile superb, aber auch Letzteres funktioniert nur wegen des milden Klimas.

Und der maximal produktive Standort...
Fester Bestandteil dieser Schule ist die maximale Standort-Produktivität, die durch grosszügige Kompost-, Mist- oder sonstige Wundermittelgaben erreicht wird. In dem vorherrschenden freundlich-regnerischen Klima passt dies auch gut zusammen. Und laut Christopher Lloyd, dem letzten Besitzer Great Dixters, ist ja auch das Jäten leichter, wenn das Unkraut grosswüchsig ist.

Mögliche Alternativen
Statt sich mit «manikürtem», gestresstem Rasen, absterbenden Rhododendren und pflege-intensivsten Pflanzungen herumzuschlagen, lohnt sich ein Blick nach vorne in der Gartengeschichte. Das Konzept der Standortgerechtigkeit resultiert bei konsequenter Beachtung in insgesamt wüchsigen, widerstandsfähigen Pflanzen. Schönheit liegt bekanntlich im Auge des Betrachters, und spätestens seit Piet Oudolf sind trockene Stengel und abgestorbene Halme ein akzeptierter Winteraspekt. Und wussten Sie, dass einige Pflanzen im Winter sogar sachte rascheln oder duften? Die pflanzeneigene Dynamik in die Planung zu integrieren, ist ein wichtiger Schritt zu naturnäheren, pflegeleichteren Pflanzungen. Und es gibt tatsächlich etwas, das Englischen Gärtnern nicht gelingt und wonach sie neidisch auf den Kontinent schielen: trockenheitsliebende Präriepflanzen!

Ute Rieper, Basel www.rieperpflanzplanung.ch

Fotos: Markus Dürst, Ute Rieper

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