Was Sie schon immer über Permakultur wissen wollten, aber sich nie zu fragen trauten

Und warum sie den Welthunger nicht lösen wird


(im Folgenden wird Permakultur mit PK abgekürzt)

PK-Anhänger lächeln mitleidig-wissend, wenn sie Gärtner*innen im Gemüsebeet schwitzen sehen. Versuch`s doch mal mit Permakultur, locken sie: Fruchtwälder, die, dem Paradies gleich, fantastische, leckere Früchte schenken, reiche Ernte, die du nur einsammeln musst. Gehölzschnitt? Überflüssiger dekadenter Schnickschnack. Dünger? Das Heroin der Pflanzen!! Umgraben? Das erledigen die Schweine... Dieses grossartige Versprechen der PK von unermesslichen Ernten bei geringem oder keinem Aufwand beim Gärtnern sowie die diffus-heimelige Gewissheit, dass der PK-Garten auch ohne die gärtnerische Hand weiterbestehen wird, zieht vor allem gebildete Nicht-Gärtner, zivilisationsmüde Ökoidealisten oder wissenschaftsskeptische Gaiaverehrerinnen in ihren Bann. PK sei mehr als Pflanzenbau, es sei eine Lebensweise, eine Weltanschauung, mit dem Methoden der PK liesse sich die gesamte Gesellschaft reorganisieren, es sei ein ethisches Prinzip...

Ein genauer Blick auf den Ursprung und Abgleich mit landschaftsökologischen Fakten soll die „mythische Spreu“ vom „faktischen Weizen“ trennen. Schon andere, sehr qualifizierte Autoren haben dies getan, hier dienen „a critique of permaculture“ 2003, von Peter Harper, und Ken Thompson 2015: The sceptical gardener“ übersetzt und zusammengefasst als Grundlage.

Zu den Autoren:

Peter Harper (* ca. 1940er), Brite, Technologie-Kritiker und Querdenker, setzt sich für fundierte Nachhaltigkeits-Ansätze und Klimaschutz ein Webseite: peterharper.org

Ken Thompson, Universität Sheffield, (forscht u.a. zu Stadtökologie, invasiven Arten, Ökologie von Samen, Ökologie von Gärten)

 

Die Anfänge

Der Ursprung liegt in Australien. Zwei Personen gelten als Gründer der PK-Bewegung, Bill Mollison (1928-2016) und Peter Holmgren (* 1955). Australien ist bodentechnisch gesehen, ein Sonderfall. Sehr knapp zusammengefasst, haben die überwiegend europäischen Siedler die uralten (mehrere 100`000 bis etwa einige Millionen Jahre) Böden durch unpassende europäische Kulturtechnik innerhalb von gut 200 Jahren Ackerbau weitgehend ruiniert. Versalzung, (Wind-)Erosion, Wüstenbildung und schwindende Bodenfruchtbarkeit sind brennende, bisher ungelöste Probleme.

Der Begriff der PK setzt sich zusammen aus den Englischen Worten „permanent“ und „agriculture“ zusammen. Die zentralen Ziele der PK sind Erhalt des Bodens und Rückhalt von Regenwasser. Daraus resultierten laut Harper die zwei meistverbreiteten PK-Klischees: Wasserrückhaltemulden und mehrjähriges Dauergemüse. Harper betont, dass der erste Entwurf Mollisons und Holmgrens hervorragend war als Gegenentwurf zum offensichtlich mangelhaften konventionellen Ackerbau.

Ziele waren sowohl Nachhaltigkeit als auch hohe Produktivität:

Hohe Produktivität pro Landeinheit

Hohe Ergiebigkeit pro Arbeitseinheit

Geringer Verlust von Boden und Nährstoffen

Ökologische Vielfalt.

Harper fasst zusammen, dass dieser erste Entwurf von PK (er nennt ihn PK (A)) höhere Produktivität auf stabile „Klimax-Ökosysteme“, also Wälder, anwenden wollte.

Im Gegensatz zum ökologischen Landbau, der versucht, Nachhaltigkeit auf gestörte, menschengemachte Pionier-Ökosysteme anzuwenden, in denen exotische, einjährige Nutzpflanzen vorherrschen.

Vergleichend stellt er Ökolandbau und PK gegenüber (in Auszügen):

Ökolandbau/ intensiv

PK, „was meist unter PK verstanden wird“

Schwerpunkt auf Nahrung

Schwerpunkt auf allen Erträgen sowie Nebenleistungen

Bevorzugt traditionelle Feldfrüchte mit klassischer Schmackhaftigkeit

Grosse Auswahl von unüblichen Feldfrüchten, Veränderung von Geschmack und Zubereitung

Bevorzugt Einjährige

Bevorzugt Mehrjährige und Gehölzarten

Sorten, Hybriden, Exoten

Einfache Arten, Einheimische

Hoher Aufwand / hoher Ertrag

Geringer Aufwand / geringer Ertrag

Schwerpunkt auf Kulturtechnik

Schwerpunkt auf Gestaltung / Design

Reagiert auf Kulturfehler

Toleriert Kulturfehler

Das Design betreffend, so ist die Gliederung in ringförmige Zonen mit abnehmender Nutzungsintensität in Australien entstanden, wo Grundstücke leicht mehrere hundert Hectar (1 ha=10`000m2) gross sind. In den abgezirkelten Grundstücken Mitteleuropas erübrigt sich dies Prinzip fast, und eine funktionale Anordnung verschiedener Gartenteile hingegen ist immer wichtig.

Er weist darauf hin, dass einer der grössten Fehler der PK ist, Bäume und Mehrjährige zum Fetisch zu erklären. Auch stellt Holmgren nüchtern fest, dass in gemässigten Klimazonen Waldflächen denkbar ungünstig für jegliche Gemüseproduktion sind.

Hier liegt ein zentraler Knackpunkt: genauso, wie europäische Siedler weltweit mit ihrer traditionellen Kulturtechnik tropische Böden zerstörten, so ist der Umkehrschluss, tropische Techniken wie Landbau unter Gehölzen unverändert in Mitteleuropa zu praktizieren, genauso fehlerhaft.

Nach der Gründung nur Dogma

Rückblickend bilanziert Harper, dass es leider nie eine systematische Weiterentwicklung der PK gab. Er vermisst ein systematisches Testen, Bewerten und Verbessern der Häppchen und Stückchen, die in der „Wundertüte“ der PK (A) schlummern. Ihm schwebt eine „pfiffige oder schlaue“ PK vor, eine PK (B), die nach Fortschritt strebt, statt im Dogma zu verharren, mit einem pragmatischen, skeptischen Grundton, Schwerpunkt auf einem städtischen Leben und bewusster Auseinandersetzung mit der heutigen Wirtschaft, die vor allem als ein frisch gestartetes, wissenschaftliches Projekt daher kommt.

Der Geschmack des Waldes

Zum Waldgarten (forest garden) kommentiert Ken Thompson trocken, dass der urbane Durchschnittsbürger eher geringen Bedarf an dessen Erträgen haben dürfte, neben Nüssen und Früchten vor allem essbare Blätter, Gewürze, Medizinalpflanzen, Stecken, Flechtruten, Feuerholz, Viehfutter, Wild sowie Baumsaft-Erzeugnisse. Wichtige stärkehaltige Feldfrüchte fehlen komplett, denn Getreide und Kartoffel widersprechen im Anbau den extensiven Wirtschaftsprinzipien der PK. Ein entscheidender Aspekt des Landbaus sei, nicht nur essbare Nahrungspflanzen anzubauen, sondern ständig nach den besten, schmackhaftesten Sorten zu streben. Und Lindenblätter oder Glockenblumenlaub, eine der wenigen essbaren Pflanzen des Waldgartens, würden in einer Blindverkostung, so Thompsons starker Verdacht, weit abgeschlagen hinter Spinat oder Salat landen.

Er verweist auf ein laufendes Waldgarten-Projekt in Dartington ( agroforestry.com). In einem Einführungsvideo erläutert Martin Crawford, der Leiter der Stiftung, dass ein „acre“ (=4046 m2) etwa 4-5 Menschen ernähren könnte. Und sinniert weiter, dass schliesslich auch unsere nahen Verwandten, die Orang-Utan, von Baumblättern und Früchten leben, warum sollten wir (Menschen) das nicht auch könnten. Gute Frage, findet Thompson, und knobelt eine mathematische Rechnung für uns aus: im hochproduktiven Regenwald von Sumatra ist die höchste nachgewiesene Siedlungsdichte 7-10 Orang-Utan pro Quadratkilometer. Umgerechnet sind das 0,04 Orang-Utan pro „acre“... (ein Hundertstel von 4 Menschen/ acre)

Waldgärten, schliesst Thompson, können schön sein, sie sind gut für die Artenvielfalt, erbringen wertvolle Ökosystemleistungen. Aber die Orang-Utans verraten uns etwas sehr wichtiges hinsichtlich der Menschenanzahl, die in einer Welt ohne herkömmlichen (Bio-)Landbau ernährt werden könnten.

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